Embrujada

Von  //  12. Juni 2012  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

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Murmelnde Wildbäche, urgewaltige Wasserstürze und mitten in diesem grandiosen Naturwunder: SIE. Ein Vollweib mit schwarzem, dickem Haar wie einst Liz Taylor. Sie (Isabel Sarlí) ist Ansise, die leidenschaftliche Frau des alternden Großgrundbesitzers Don Leandro. Als junges Mädchen tanzte sie sie im Dschungel wild und glücklich mit ihrem Indianerstamm, doch Leandro – „I will teach you to live and love“ – nahm sie mit. Er gab ihr internationale Reisen, Pan-Am-Jet-Set-Luxus; der schöne Song „Upa Neguinho“ läuft zu überblendenden Bildern aus den angesagten 60er Jahre Metropolen. Seitdem trägt Ansise eine tiefe Zerrissenheit in sich, „she never forgot her tribe“.

In den 50er/60er Jahren kam das Thema „Mädchen aus dem Urwald“ oft vor, auch in den Heftchenromanen, die ich damals las. Hing es mit dem Ende der letzten Kolonien zusammen, der fortschreitenden bürgerlichen Modernisierung?

In Ansise, der gezähmten Wilden, wächst ein übermächtiger Kinderwunsch. Leandro aber ist impotent. Qualvoll scheitern seine Versuche, mit der aufreizend drapierten, prachtvoll vollbusigen Gattin zu schlafen. Am nächsten Tag im Dschungel befiehlt er frustriert seinem Vorarbeiter Peralta, einen „schwachen“ Holzfäller auszupeitschen. Das hat etwas dampfend Sexuelles. Der Regisseur, Armando Bo, war nicht zimperlich.

Ansise kann es nicht länger genügen, immer nur eine Babypuppe an ihren atmenden Busen zu drücken. In ihrer Verzweiflung beschließt sie, sich zu prostituieren, um schwanger zu werden, und fängt das im örtlichen Bretterpuff der Arbeiter eindrucksvoll an. Doch da ist auch der neue Arbeiter im Wald ihres Mannes, ein überdeutlich schöner, blonder Mann, Brad Pitt/Burt Lancaster ähnlich, mit sanftem, schmelzendem Blick: Juan, gespielt von Victor Bo, dem spektakulär charismatischen Sohn des auch nicht eben hässlichen Regisseurs. Die beiden verlieben sich und gehen schwimmen, in den dramatisch wilden Gewässern von Iguacu, die Kamera weidet sich an Isabel Sarlis nackten, wollüstigen Formen. Und dort beginnt ihr Wahnsinn. Es gibt an diesem Gewässer den Pombero, einen Naturdämon, einen ziemlich billig aussehenden Teufel, der sich mit einem Tinnitus-Pfeifen ankündigt. Mit ihm bricht Ansises verdrängte, mystisch-archaische Natur über ihre Seele herein. Vergangenes schießt ihr in den Kopf, schnell geschnittenen Fetzchen, ein ausgiebig genutztes, schönes Stilmittel der auf naive Weise zwingenden Ästhetik dieses Films. Ansises Sinne verwirren sich; in jedem Moment kann sich die Wirklichkeit verwandeln und der Pombero auftauchen, sie anfassen, mit ihr schlafen. Selbst Juan wird manchmal zum Pombero, und sie auch.

Das ist mächtig dick aufgetragen und großartig kitschig, trivial und hemmungslos exploiting, wie die Ölbilder von Zigeunerinnen, die früher über den Sofas hingen. Nebenbei erfährt man, dass Ansises Mann nicht mit ihr schlafen kann, weil er – „in the jungle anything can happen“ – für seinen Vorarbeiter entflammt ist; die Welt steht Kopf, pervers, pervers, pervers hämmert es in Ansise, alles taumelt durcheinander und schraubt sich einem blutigen Höhepunkt entgegen. Die grandiosen Wasserfälle dröhnen, und die Musik, „Los Paraguayos“: großartig.

Zurück bleibt der Eindruck, etwas Unerhörtes gesehen zu haben, einen Hexenkessel aus Volkskunst, Heftchen und Russ Meyer Filmen, brodelnd, schwitzend, plötzlich Psychedelik, plötzlich Pop, melodramatisch, irrational. Man will mehr davon.

Argentinien 1969, Regie: Armando Bo

„Venga stupido“ – Deshalb wollten unsere Tanten früher alle einen Nerz:

Ich weiß, ich übertreibe. Aber der Film tut das auch. Deshalb hier Millionen von Screenshots. Leider ermöglicht unser Programm es nicht, sie etwas größer zu machen, so dass man die Untertitel besser lesen könnte, dann wäre es wie ein Fotoroman. Davon sollte es sowieso wieder mehr geben.

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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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